Work-and-Travel: Kann man Kindergeldanspruch aufrecht erhalten?

„Work-and-travel“ ist eine beliebte Form des Reisens, bei der man sich die nötigen finanziellen Mittel für den Auslandsaufenthalt durch Gelegenheitsjobs vor Ort verdient. Vor allem Abiturienten und Abiturientinnen nutzen solche Programme, um nach bestandener Abiturprüfung ferne Länder und Leute abseits der typischen Touristenpfade kennen zu lernen. Bevorzugt sind hierbei Australien, Neuseeland, Kanada, USA. Natürlich sollen auch die Fremdsprachenkenntnisse verbessert werden. Die Frage ist, ob die Eltern für die Travel-Worker Anspruch auf Kindergeld haben.

Der Bundesfinanzhof hat hierzu entschieden, dass es sich bei der Teilnahme an einem „Work-and-travel“-Programm lediglich um einen gewöhnlichen Auslandsaufenthalt handelt, der nicht als „Berufsausbildung“ gilt und daher keinen Anspruch auf Kindergeld begründet. Ein Kindergeldanspruch bestehe nur bei einem Sprachaufenthalt im Ausland, wenn dieser mit einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet wird (BFH-Beschluss vom 14.9.2009, III B 119/08).

Ein Auslandsaufenthalt wird nur dann als Teil der Berufsausbildung anerkannt, wenn er

  • mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden ist, also Fremdsprachenkurse im Ausland, Besuch einer allgemein bildenden Schule, eines Colleges oder einer Universität,
  • in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben oder empfohlen ist oder
  • von einem theoretischen Sprachunterricht begleitet wird, der mindestens 10 Stunden pro Woche umfasst.

Aber es besteht die Chance, dass das Kind auch während eines Auslandsaufenthaltes weiterhin berücksichtigt werden kann – und zwar als „Kind ohne Ausbildungsplatz“ gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG. Dafür ist allerdings von großer Bedeutung, ob das Kind nach dem Abitur ernsthafte Bemühungen um einen Ausbildungsplatz unternimmt:

  • Bewirbt sich das Kind innerhalb von vier Monaten nach dem Abitur ernsthaft – aber erfolglos – um einen Ausbildungsplatz, wird es durchgängig berücksichtigt. Bis zu vier Monate lang wird Kindergeld gezahlt, wenn die sog. „Übergangszeit“ zwischen den Ausbildungsstationen liegt.
  • Bewirbt sich das Kind erst nach Ablauf von vier Monaten nach dem Abitur, wird es erst ab dem Monat der ersten Bewerbung als „Kind ohne Ausbildungsplatz“ berücksichtigt (A 17.1 Abs. 3 DA-Kindergeld 2023).

 

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Bevor also Abiturienten nach dem Abitur ihr „Work-and-travel“-Programm beginnen, sollten sie sich innerhalb von vier Monaten nach dem Abi um einen Ausbildungsplatz bemühen und hierzu Bewerbungen schreiben. Wenn dies erledigt ist, kann das Kind immer noch auf Reisen gehen. Jedenfalls erhalten die Eltern durchgehend das Kindergeld.

Können Studierwillige eine Bewerbung nicht abgeben, weil das Verfahren bei der SfH (Stiftung für Hochschulzulassung) noch nicht eröffnet ist, genügt zunächst eine schriftliche Erklärung des Kindes, sich so bald wie möglich bewerben zu wollen (A 17.1 Abs. 1 DA-Kindergeld 2023).

Aktuell war das Finanzgericht Bremen mit einem Sonderfall des „Work-and-travel“ befasst: Es ging um den Kindergeldanspruch bei einem einjährigen Work-and-travel-Jahr und anschließendem Studium eines volljährigen Kindes in Australien (FG Bremen, Urteil vom 7.3.2023, 2 K 27/21 (1)).

Der Fall: Ein volljähriges Kind ist im Juni 2019 im Alter von 22 Jahren nach Australien gereist, um dort ein „Work-and-travel-Jahr“ zu absolvieren. Im Laufe dieses Jahres hat es sich entschlossen, im Zeitraum von Juli 2020 bis März 2022, also für rund 1,5 Jahre, in Perth/Australien ein Studium zu absolvieren. In dieser Zeit hat das Kind sich durchgängig in Australien aufgehalten und ist nicht nach Deutschland zurückgekehrt.

Dies sprach nach Ansicht der Familienkasse für eine Aufgabe des Wohnsitzes in der inländischen Wohnung der Mutter spätestens ab Studienbeginn, sodass kein Kindergeldanspruch mehr besteht (gemäß § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG).

Dies hat das Finanzgericht bestätigt. Nach Auffassung der Finanzrichter hat die Mutter keinen Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter für den Zeitraum von Juli 2020 bis März 2022. Ein Kindergeldanspruch scheitere daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass das Kind im Streitzeitraum einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in einem EU-/EWR-Mitgliedsstaat hatte.

Es sei im Übrigen ohne Belang, dass Reisen aufgrund fehlender Geldmittel oder aufgrund der coronabedingten Reiserestriktionen nicht möglich waren. Es komme rein objektiv darauf ab, ob das Kind im Inland noch ein Wohnung inne hatte oder eben nicht.

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