Geschlechtsbezogene Diskriminierung durch Steuerformulare und -bescheide?

Im Steuerhauptformular gilt eine Rangfolge bezüglich der Steuerpflichtigen: Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten ist an erster Stelle grundsätzlich der Ehemann und an zweiter Stelle die Ehefrau einzutragen. Dies gilt auch dann, wenn nicht der Mann, sondern die Frau das Geld nach Hause bringt. Und auch die Steuerbescheide weisen den Mann üblicherweise vor der Frau aus. Zumindest werden seine Einkünfte in der linken und damit in der ersten Spalte aufgeführt. Reicht dies für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung?

Der Streit um die Rangfolge unter Eheleuten wurde sogar schon gerichtlich geklärt: Ehefrauen, die mit ihrem Ehemann zusammen zur Steuer veranlagt werden und daher gemeinsame Steuerbescheide erhalten, müssen es hinnehmen, dass ihr Name in den Bescheiden – wie auch im sonstigen Schriftwechsel mit den Finanzbehörden – an zweiter Stelle nach dem Namen des Mannes genannt wird (FG Berlin-Brandenburg vom 14.1.2009, 3 K 1147/06).

Nach Ansicht der Finanzrichter wird das Grundrecht einer Ehefrau auf Gleichbehandlung der Geschlechter nicht durch die Praxis der Finanzbehörden verletzt, den Namen der Frau an zweiter Stelle zu nennen. Dabei handele es sich um ein von der Datenverarbeitung der Finanzverwaltung zwingend vorgegebenes, wertungsfreies Ordnungssystem. Der Umstand, dass gelegentlich die Ehefrau das gesamte oder den größeren Teil des Familieneinkommens erwirtschafte, spiele dabei keine Rolle.

Kürzlich war das Finanzgericht Köln mit der Klage einer Ehefrau befasst, die in der nachrangigen Nennung der Frau eine geschlechterbezogene Diskriminierung sah. Die vorgegebene Reihenfolge sei mit einer Wertung verbunden, wonach der erstgenannten Person eine höhere Wichtigkeit zugesprochen werde. Die Benennung der Frau an zweiter Stelle verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht.

Es entspreche der allgemeinen Auffassung, dass einer erstgenannten Person eine höhere Bedeutung zugemessen werde, als der zweitgenannten. Allein die traditionelle Prägung eines Lebensverhältnisses könne eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Die von der Finanzverwaltung getroffene Entscheidung, stets den Ehemann an erster Stelle zu nennen, folge der historischen Diskriminierung von Frauen.

Aktuell hat das FG Köln entschieden, dass für die Ehefrau keine Beschwer vorliegt, wenn im Berechnungsteil des Steuerbescheides die Einkünfte des Mannes auf der linken und die Einkünfte der Frau auf der rechten Seite ermittelt werden. Die Frau könne das von ihr verfolgte Ziel, nämlich die Beseitigung der von ihr vorgetragenen geschlechtsbezogene Diskriminierung bzw. einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht durch eine Änderung des Steuerbescheides erreichen (FG Köln vom 20.5.2020, 2 K 1079/19).

Nach Auffassung der Richter stehen die von der Ehefrau vorgetragenen Nachteile mit dem Steuerbescheid in keinem Zusammenhang. Im Kern wende sich die Frau gegen eine von ihr angenommene strukturelle Benachteiligung von Ehefrauen bei gemischtgeschlechtlichen Ehen im Besteuerungsverfahren. An sämtlichen von der Frau dargestellten Belastungen würde sich nichts ändern, wenn die Frau an erste Stelle gesetzt werden würde. Dies zeige, dass für das aus dem Gesamtzusammenhang zu schließende eigentliche Begehren der Frau der angefochtene Einkommensteuerbescheid der falsche Angriffspunkt sei.

Und wie steht es um die Rangfolge bei gleichgeschlechtlichen Ehen? Seit dem 1.10.2017 ist die „Ehe für alle“ – also auch für gleichgeschlechtliche Paare – Wirklichkeit. Und wie ist die Rangfolge bei Lebenspartnern, die vor diesem Zeitpunkt eine Lebenspartnerschaft nach altem Lebenspartnerschaftsgesetz begründet hatten?

Bei beiden Gruppen ist bei Wahl der Zusammenveranlagung als „Person A“ die Person einzutragen, die nach alphabetischer Reihenfolge des Nachnamens an erster Stelle steht. Bei Namensgleichheit kommt der Partner an die erste Stelle, dessen Vorname im Alphabet vorne steht. Haben beide den gleichen Vornamen, steht der ältere Partner vorne. Dies alles gilt unabhängig davon, wer wie viel des Einkommens erwirtschaftet.

 

Steuererklaerung-Polizei.de

Trotz langjähriger Kritik wird auch in den Steuererklärungsvordrucken 2021 immer noch nicht darauf verzichtet, zunächst nach den Daten des Ehemannes und erst anschließend nach den Daten der Ehefrau zu fragen. Das ist alles andere als zeitgemäß und sollte endlich der Vergangenheit angehören. Programmtechnisch dürfte es doch kein Riesenproblem darstellen, das zu ändern. Übrigens haben die Richter des FG Köln in dem genannten Verfahren zur Frage der Klagezulässigkeit unter anderem ein BFH-Urteil vom 21.10.1970 zitiert. Dazu muss man wohl nicht mehr sagen.