Die Energiepreispauschale für Erwerbstätige, die im September 2022 ausgezahlt worden ist, und die Energiepreispauschale für Rentner und Versorgungsempfänger aus dem Dezember 2022 sind nach dem Willen des Gesetzgebers zu versteuern. Nach einer gesetzlichen Fiktion gelten die Einnahmen als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitnehmer und Pensionäre) oder sonstige Einkünfte (Selbstständige, Rentner).
Mittlerweile kommen an der Besteuerung immer mehr Zweifel auf. Eine besonders gewichtige Kritik stammt von Herrn Professor Hans-Joachim Kanzler, früherer Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof. Er hält die Besteuerung der Energiepreispauschale für unzulässig. Er begründet dies zum einen damit, dass die Energiepreispauschale eine „Subvention“ und keine „Einkunftsart im Sinne des Steuerrechts“ ist. Zum anderen bezweifelt er die Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Quellen: NWB Nr. 49 vom 9.12.2022, Seite 3417; Finanz-Rundschau 2022, Seite 641).
Steuererklaerung-Polizei.de schließt sich der Kritik an. So ist die Energiepreispauschale an Arbeitnehmer zwar über die Arbeitgeber ausgezahlt worden, doch nur deshalb, weil dem Staat keine eigene Auszahlungsmöglichkeit zur Verfügung stand. Ein Arbeitnehmer hat die Energiepreispauschale nicht für eine Leistung an seinen Arbeitgeber bezogen, sondern als rein staatliche Unterstützung.
Arbeitslohn kann zwar auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, aber nur, wenn es sich um ein Entgelt für eine Leistung handelt, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll (BFH-Urteil vom 16.2.2022, VI R 53/18).
Auch sonstige Einkünfte setzen eine Leistung voraus, die in einem „Tun“ oder „Unterlassen“ bestehen kann. Die Energiepreispauschale wurde aber ohne jegliches „Tun“ oder „Unterlassen“ gewährt.
Fazit: Zumindest nach den hergebrachten Grundsätzen und der Systematik des Einkommensteuerrechts durfte bzw. darf keine Besteuerung der Energiepreispauschale erfolgen. Die Frage wird daher sein, ob der Gesetzgeber die Grundsätze und die Systematik durchbrechen durfte, weil es angesichts des Ukraine-Krieges und der extrem gestiegenen Energiepreise eine steuer- und sozialpolitisch gerechtfertigte Ausnahmesituation gab.
Die Energiepreispauschale sollte nur entsprechend der „persönlichen Leistungsfähigkeit“ bei den Bürgern ankommen, so dass sich der Staat einen Teil wieder über die Einkommensteuer – entsprechend des Steuersatzes des jeweiligen Bürgers – zurückholen will.
Früher oder später wird es erste Verfahren vor den Finanzgerichten, dem Bundesfinanzhof und vielleicht auch vor dem Bundesverfassungsgericht zu der Frage geben, ob die Besteuerung der Energiepreispauschale rechtens ist. Sofern möglich, sollten Steuerbescheide daher in diesem Punkt offen gehalten werden. Ein Anspruch auf Ruhenlassen des eigenen Einspruchs besteht aber erst, wenn es zumindest ein Verfahren bis vor den BFH oder das BVerfG geschafft hat.