Für ein volljähriges Kind wird Kindergeld auch dann gezahlt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass sich das Kind ernsthaft um eine Ausbildungsstelle oder um die Fortsetzung der Ausbildung bemüht hat. Grundsätzlich sollen ausbildungswillige Kinder ohne Ausbildungsplatz den Kindern gleichgestellt sein, die sich in Ausbildung befinden. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht auch dann, wenn ein Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss, weil es aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage ist, die Ausbildung fortzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 15.7.2003, VIII R 47/02). Doch was gilt, wenn das Kind eine Ausbildung wegen einer Erkrankung gar nicht erst beginnen oder sich um eine Ausbildungsstelle bemühen kann?
Aktuell hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass ein Anspruch auf Kindergeld auch dann besteht, wenn eine Ausbildung wegen einer Erkrankung schon nicht begonnen oder gesucht werden kann. Die Ausbildungswilligkeit muss allerdings glaubhaft gemacht werden (Urteil vom 26.4.2019, 7 K 1093/18 Kg).
Der Fall: Der 20 Jahre alte Sohn begann am 1.8.2016 eine Ausbildung, die aber bereits zum 31.10.2016 durch eine Kündigung des Arbeitgebers beendet wurde. Der Sohn war nach einer ärztlichen Bescheinigung bis Ende 2017 arbeitsunfähig. Der behandelnde Arzt bescheinigte sogar, dass ein Ende der Erkrankung nicht absehbar sei. Gegenüber der Familienkasse erklärte der Sohn, dass er beabsichtige, zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung seiner Erkrankung eine Ausbildung aufzunehmen. Diese Erklärung erreichte die Familienkasse aber erst im September 2017. Die Familienkasse gewährte daraufhin kein Kindergeld für den Zeitraum November 2016 bis August 2017, also für den Zeitraum der Beendigung der Ausbildung bis zur Erklärung gegenüber der Familienkasse. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
Begründung der Richter: Der Sohn sei in dem entsprechenden Zeitraum ausbildungswillig gewesen. Dies ergäbe sich aus seiner klaren und eindeutigen Erklärung vom September 2017. Diese Erklärung sei auch für den zurück-liegenden Zeitraum ab dem Beginn der Erkrankung von November 2016 von Bedeutung. Zwar sie die Erklärung erst nachträglich abgegeben worden, was der „Dienstanweisung Kindergeld“ widerspreche (DA-KG A 17.2 Abs.1, V 6.1 Abs.1).
Eine derartige Erklärung soll danach nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs bei der Familienkasse, hier also ab September 2017, gelten. Entgegen dieser Anweisung genüge es aber nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Entscheidend sei nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage.
Gegen das Urteil ist die Revision zugelassen worden, so dass das letzte Wort möglicherweise noch nicht gesprochen ist. Unabhängig davon sollten Eltern gegenüber der Familienkasse die ernsthaften Bemühungen des Kindes um einen Ausbildungsplatz nachweisen oder zumindest glaubhaft machen – und zwar sehr frühzeitig. Der Nachweis für die Ausbildungswilligkeit des Kindes kann z. B. erbracht werden durch schriftliche Bewerbungen unmittelbar an Ausbildungsbetriebe und ggf. darauf erfolgte Zwischennachrichten oder auch Absagen.
Im Falle einer Erkrankung ist das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen; die Bescheinigung ist jeweils nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern. Ist nach den ärztlichen Feststellungen das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar, muss sehr frühzeitig eine schriftliche Erklärung an die Familienkasse erfolgen, dass der Wille des Kindes besteht, sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen. Zudem muss sich das Kind nach Wegfall des Hinderungsgrunds unmittelbar um eine Berufsausbildung bemühen bzw. diese fortsetzen.